Dritter Weltkrieg? Noch nicht – Vielleicht später.

Vor kurzem vermittelten verschiedene Mainstream-Medien den Eindruck, als stünde die Welt am Rande eines Dritten Weltkriegs. Schlagzeilen mit dramatischer Rhetorik dominierten die Nachrichten: „Die Welt am Siedepunkt“, „Der große Krieg steht bevor“, bis hin zu „Ein kleiner Schritt zur globalen Katastrophe“. Doch bei einer nüchternen Analyse unter strategischen Gesichtspunkten zeigt sich: Die Welt bewegt sich (noch) nicht in Richtung Abgrund. Zumindest nicht in diesem Moment.

In der internationalen Politik handeln Staaten nicht impulsiv. Sie sind rationale Akteure – Entscheidungen werden auf der Grundlage von Kosten-Nutzen-Abwägungen, nationalen Kapazitäten und Verhandlungsmacht getroffen. Selbst große ideologische Projekte wie „Eretz Israel“ radikaler zionistischer Gruppen oder der Slogan „Make America Great Again“ der MAGA-Bewegung in den USA unterliegen letztlich den harten Realitäten politischer Machtverhältnisse.

Der Erste und Zweite Weltkrieg waren nicht das Ergebnis kollektiver Wahnsinnstaten großer Nationen, sondern das Resultat strategischer Fehleinschätzungen. Deutschland entfesselte beide Kriege in der Überzeugung, dass das Risiko sich lohne – ein schneller Sieg erschien greifbar. Beide Male jedoch endete dies in katastrophalen Niederlagen infolge gravierender Fehlkalkulationen.

Die heutige Lage weist auffällige Parallelen auf. Israel verfolgt eine riskante Strategie. Die gegenwärtige Konstellation wird als günstig angesehen, um Iran unter Druck zu setzen: Die Macht von Hisbollah und den Huthi schwindet, Bashar al-Assad hat seine Legitimität weitgehend eingebüßt, und Iran befindet sich insgesamt in einer geschwächten Position.

Für Israel stellt das Vorgehen gegen Iran daher nicht nur eine offensive Maßnahme dar, sondern eine strategische Gelegenheit zur Festigung regionaler Dominanz. Bereits bei den ersten Angriffen Israels konnten zentrale iranische Militärfiguren ins Visier genommen werden. Doch trotz aller Ambitionen bleibt Israel eine Regionalmacht – nicht mehr. Um einen großflächigen Krieg zu führen, ist Israel weiterhin auf die Vereinigten Staaten angewiesen. Ohne amerikanische Unterstützung ist Israels Kapazität begrenzt. Sollte ein Krieg mit Iran ohne US-Beteiligung andauern, wäre Israels Durchhaltevermögen begrenzt.

Auch Iran handelt nicht unüberlegt. Bei Angriffen erfolgt eine Gegenreaktion – jedoch innerhalb bewusst gewählter Grenzen. Die Angriffe auf Tel Aviv waren nicht darauf ausgelegt, Israel zu vernichten, sondern dienten der Wiederherstellung gegenseitiger Abschreckung. Iran weiß sehr genau: Eine überzogene Antwort würde Israel und den USA einen Vorwand für einen umfassenden Krieg liefern.

Der zentrale Schlüssel zur Eskalation oder Deeskalation liegt weiterhin in den Händen der Vereinigten Staaten. Oft hört man die Behauptung, „Amerika werde von Israel kontrolliert“. Doch in der geopolitischen Realität ist es meist umgekehrt. Israel kann drängen und lobbyieren, aber die Entscheidungshoheit liegt in Washington.

Dies wurde deutlich, als prominente MAGA-Vertreter wie Steve Bannon den israelischen Premierminister Netanyahu scharf kritisierten: „Who in the hell are you?“ – „Wer glaubst du, wer du bist, dass du die USA in den Krieg drängen willst?“ Obwohl Bannon pro-israelisch eingestellt ist, vertritt er die Ansicht, dass Amerika nicht jedem Wunsch Tel Avivs folgen sollte.

Für amerikanische Strategen liegt der eigentliche Fokus nicht im Nahen Osten, sondern in China. Auch Donald Trump ist sich dessen bewusst. Obwohl er kein Problem damit hat, wenn Israel Iran schwächen möchte, agiert er vorsichtig, um nicht zu tief hineingezogen zu werden.

Die Operation gegen iranische Nuklearanlagen – bekannt als Midnight Hammer – ist Teil dieser Taktik. Der Angriff wird durchgeführt, der Erfolg öffentlich gemacht, und anschließend diplomatische Auswege angeboten. Iran antwortet – jedoch nur symbolisch durch Angriffe auf leere Anlagen, um das Gesicht zu wahren, ohne eine massive Eskalation zu provozieren.

Dies ist, was in der strategischen Analyse als koordinierter Kriegstanz bezeichnet wird – zwei Konfliktparteien, die zwar konfrontieren, aber gleichzeitig bemüht sind, einen Großkrieg zu vermeiden, während sie ihre jeweiligen Images wahren.

Selbst wenn Amerika einen umfassenden Angriff auf Iran starten sollte, bedeutet das noch nicht zwangsläufig den Beginn eines Dritten Weltkriegs. Warum? Weil ein solcher Krieg erst dann wahrscheinlich wird, wenn andere Großmächte – wie Russland und China – direkt involviert wären.

Bislang jedoch zeigen beide Staaten eher passive Haltungen. Als Assad in Syrien gefährdet war, griff Russland nicht ein. Als Aserbaidschan Armenien angriff – trotz gegenseitiger Verteidigungspakte – blieb Moskau stumm. Sollte Iran angegriffen werden, ist es wahrscheinlich, dass Russland ebenfalls nicht reagiert und sich stattdessen auf eine mögliche neue Ordnung vorbereitet.

China verhält sich ähnlich. Unterstützung für Iran ist hinter den Kulissen denkbar, doch eine direkte Beteiligung ist unwahrscheinlich. Im Gegenteil: Peking könnte sogar profitieren, wenn Amerika erneut in einen Konflikt im Nahen Osten verstrickt wird – denn das würde die US-Aufmerksamkeit vom Indo-Pazifik ablenken, jenem Raum, der tatsächlich das zentrale Schlachtfeld künftiger geopolitischer Auseinandersetzungen bildet.

Aber man sollte nicht vergessen: Die derzeitige Lage ist kein Endpunkt. Sie ist lediglich eine Phase temporärer Deeskalation. Israel besitzt nach wie vor die Eskalationsdominanz und könnte jederzeit ein neues Kapitel eröffnen, sobald es dies für notwendig erachtet.

Fazit:

Wir müssen aufhören, bei jedem größeren Konflikt sofort in Panik zu verfallen und vom Ausbruch eines „Dritten Weltkriegs“ zu sprechen. Die Welt ist weitaus komplexer.
Wir stehen nicht am Rand eines Weltkriegs, sondern befinden uns in einer Phase eines neuen Kalten Krieges – mit weit differenzierteren Akteuren, Interessen und Strategien.
Deshalb: Lernen wir, analysieren wir, und verwenden wir unsere Begriffe mit der gebotenen Präzision.

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